aerial view of soccer field

So kann es nicht weitergehen!


Liebe Vereinsvertreter,
liebe Spieler,
liebe Trainer,
liebe Fußballgemeinde des Kreises Limburg-Weilburg,

es kommt nicht oft vor, dass der Kreisschiedsrichterausschuss sich öffentlich zu Vorfällen äußert, doch die Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit machen dies für uns leider alternativlos. Nach dem Abbruch eines Spiels der Kreisliga B aufgrund von fortwährenden Beleidigungen gegenüber dem Unparteiischen wurde nun auch ein Spiel der C-Junioren vom Schiedsrichter vorzeitig beendet, da dieser wiederholt von einem Zuschauer verbal angegangen worden war. Diese Entwicklung gibt uns – und wir hoffen, dass wir hiermit nicht alleine sind – sehr zu denken.

Wir möchten gar nicht anfangen mit Schiedsrichterzahlen. Dass die alarmierend sind ist bekannt. Auch deshalb hat der DFB das „Jahr des Schiris“ ausgerufen, um mit einer Vielzahl von Aktionen für das Schiedsrichterwesen zu werben. Uns geht es im Folgenden vor allem um zwei Dinge: die Fehlbarkeit des Schiedsrichters sowie das Verhalten von Zuschauen und den Umgang damit.

Wir brauchen ein Bewusstsein für die Fehlbarkeit des Schiedsrichters

Was wir direkt vorneweg schicken möchten: wir Schiedsrichter sind nicht fehlerfrei. Das ist bei der Menge an Entscheidungen, die wir Spiel für Spiel treffen, auch so gut wie unmöglich. Diese Fehlbarkeit gehört zum Fußball. Spieler spielen Fehlpässe, Trainer vertun sich in der taktischen Ausrichtung, Schiedsrichter treffen Fehlentscheidungen. Doch der Schiedsrichter scheint der einzige zu sein, dem bei der Beurteilung seiner Fehler kein Verständnis entgegengebracht wird. Schießt ein Spieler den Ball neben das Tor, so gibt es meist aufmunternde Worte und Zuspruch. Trifft ein Schiedsrichter auch nur eine falsche Einwurfentscheidung, ist die Empörung sofort groß. Es wird reklamiert, protestiert und leider fallen auch nicht selten persönliche Worte in Richtung des Unparteiischen.

Wir können euch versichern, dass jeder Schiedsrichter, der Sonntags seine Tasche packt und auf einen unserer Sportplätze von Mengerskirchen bis Hünfelden fährt, versucht, sein Bestes zu geben. Kein Schiedsrichter trifft mutwillig und wider besseres Wissen falsche Entscheidungen und oft sind wir es, die sich noch tagelang Gedanken über einen falschen Pfiff machen, während die Mannschaften schon wieder das nächste Spiel im Blick haben. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum ein Schiedsrichter eine Situation falsch beurteilen kann. Manchmal stehen wir zu weit weg, manchmal ist uns die Sicht verdeckt oder etwas geschieht hinter unserem Rücken. Man darf aber bei allem Wunsch nach einem fairen Wettbewerb nicht vergessen, dass wir uns auf Kreisebene in den Ligen 8 (Kreisoberliga) bis 11 (Kreisliga C) befinden. Hier kann es nicht der Anspruch sein, Woche für Woche einen Schiedsrichter mit Champions League-Format zugeteilt zu bekommen.

Unsere Fehlbarkeit ist uns bewusst. Wir wissen, dass wir nicht Deniz Aytekin oder Patrick Ittrich sind. Doch es scheint, als wäre dieser Gedanke im Fußballkreis nicht weit verbreitet. Wir wünschen uns, dass die Fehlbarkeit des Schiedsrichters als Teil des Spiels akzeptiert wird. Bei aller Frustration, die in dem Moment sicher nachvollziehbar ist, gilt es in solchen Situationen fair gegenüber dem 23sten Mann bzw. zur 23sten Frau zu bleiben. Wir sind keine Entscheidungs-Roboter, die Sonntagmittags aus irgendeinem Automaten gefallen sind. Auch wir sind Familienväter, Kollegen, Brüder, Schwestern oder zusammengefasst einfach Menschen. Und wie bei jedem Menschen, kann eine Beleidigung auch uns wirklich treffen, denn nicht immer gelingt es uns, die Rolle, die wir ausüben, zu 100% von der Person, die wir sind, zu trennen. Nach dem Spiel, wenn die Gemüter sich beruhigt haben, kann man gerne bei einem Kaltgetränk noch einmal sachlich über die verschiedenen Sichtweisen sprechen. Die wenigsten Schiedsrichter werden sich diesem Austausch verweigern, sofern sie vorher mit Respekt behandelt wurden.

Euer Sportplatz ist eure Verantwortung

Nun wurden die bereits weiter oben aufgeführten Abbrüche zumindest zum Teil auch durch Zuschauer verursacht. Diese Tatsache untermauert das Gefühl, dass viele den Sportplatz mittlerweile als rechtsfreien Raum betrachten. Wir Schiedsrichter haben, anders als über Spieler oder Teamoffizielle, keine Strafgewalt über Zuschauer. Sprich, ich kann zwar einen Spieler oder Trainer für sein Verhalten sanktionieren, einen Zuschauer aber nicht. Diese vermeintliche Narrenfreiheit scheinen viele auszunutzen, indem sie denken, sie hätten durch ihren Eintrittspreis auch einen Freifahrtschein erworben, sich zu benehmen, wie sie möchten.
Persönliche Angriffe gegen den Schiedsrichter, ob physisch oder verbal, sind, völlig unabhängig von einer subjektiven Meinung zu dessen Leistung, absolut inakzeptabel und nicht zu tolerieren. Auch auf dem Sportplatz sollten gewisse Regeln des gesellschaftlichen Miteinanders Gültigkeit haben. Denn auch wenn der Schiedsrichter gemäß §47 Abs. 3 der Spielordnung „alle für ihn zumutbaren Möglichkeiten zur Fortsetzung“ ausschöpfen muss, so muss er sich wahrlich nicht alles anhören, was während der 90 Minuten über ihn auf den Platz gerufen wird. Ein Mensch muss die Möglichkeit haben, sich einer solchen Situation, in der er als Person nur noch Zielscheibe ist, zu entziehen. Aus diesem Grund stehen wir, völlig unabhängig von sportgerichtlichen Urteilen, hinter jedem Kollegen und jeder Kollegin, die ein Spiel aufgrund von Angriffen gegen ihre Person abbrechen müssen.

Hier möchten wir klar an alle Vereine appellieren: ihr allein entscheidet, wer auf euren Sportplatz kommen darf! Das berühmte Schild „Wer den Schiedsrichter beschimpft oder beleidigt muss mit Verweis vom Sportplatz rechnen“ hängt auch in unserem Landkreis am Eingang zu vielen Sportstätten. Wir wünschen uns, dass dieser Satz auch gelebt wird und nicht nur eine leere Phrase auf einem Stück Blech an der Wand bleibt.

Am Ende schaden solche Zuschauer mit ihrem Verhalten nicht nur dem Schiedsrichter auf dem Platz, sondern auch euch, denn euer Sportplatz und euer Verein werden mit diesem Fehlverhalten in Verbindung gebracht. Distanziert euch klar und setzt wenn nötig ein Zeichen. Nur so können wir gemeinsam diesen Trend stoppen.

Nicht nur meckern – machen

Uns ist auch bewusst, dass Respekt keine Einbahnstraße ist und dass auch wir unseren Teil beitragen müssen, um sicherzustellen, dass wir alle unserer gemeinsamen großen Leidenschaft – dem Fußball – in einem Rahmen nachgehen können, der es uns ermöglicht, dem Gegenüber nach dem Spiel noch in die Augen sehen zu können.

Wir werden daher unsere Schiedsrichter noch einmal gezielt auf das Thema „Spielabbruch“ sowie den Umgang mit Beleidigungen von Seiten der Zuschauer schulen, so dass alle Beteiligten hier klar auf einer Linie sind und Aktionskette und Konsequenzen einheitlich eingehalten werden. Außerdem werden wir neben unserer Präsenz bei Vor- und Rückrundenbesprechung einen zusätzlichen Termin pro Halbserie anbieten, der dem Austausch zwischen Vereinen und Schiedsrichterwesen in unserem Kreis dienen soll – Details hierzu folgen zu gegebener Zeit.

Doch „nicht nur meckern – machen“ soll auch ein Angebot sein. Im Juni und Juli dieses Jahres werden wir erneut einen Neulingslehrgang durchführen, um neue Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen auszubilden. Diese Chance, die Perspektive zu wechseln, und so vielleicht mehr Verständnis für den Schiedsrichter zu entwickeln, legen wir jedem ans Herz.
Nur gemeinsam können wir die Spirale der Respektlosigkeit stoppen und unser großes Hobby, den Amateurfußball, langfristig retten. Wir können nur hoffen, dass allen Beteiligten klar ist, wie prekär die Situation ist, in der wir uns befinden. Es ist in unser aller Interesse, den Trend umzukehren und den Fußball wieder zu einem für alle Beteiligten tollen, gemeinsamen Erlebnis zu machen. Denn ansonsten wird es am Ende nur Verlierer geben.

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